Bruchteile

Der heutige Tag hat gleich doppelte Bedeutung für mich. Zum einen bin ich genau heute vor zehn Monaten in Frankfurt in ein Flugzeug gestiegen, um mich auf den Weg nach Japan zu machen. Damals wusste ich noch nicht, was mich erwartet. Ich wusste nur, dass alles anders sein wird. Und das war es auch. Von der 20.000 Einwohnerstadt ging es in die Metropolregion Tokyo mit knapp 30 Millionen Menschen. Von Brot ging es zu Reis. Von Euro zu Yen, von Auto zu (U-)Bahn, von Stille zu Action. Von Sonntags geschlossen zu 24-Stunden geöffnet. Von SMS zu E-Mail, von 7 Uhr Sonnenaufgang zu 5 Uhr Sonnenaufgang. Von Rotwein zu Reiswein, von Weißwein zu Pflaumenwein, von deutschem Bier zu japanischem Bier. Von Sitzen im Zug zu Stehen im Zug, von Verspätungen zu pünktlichen Zügen, von Rechtsverkehr zu Linksverkehr. Von BMW, Mercedes und VW zu Toyota, Nissan und Mazda. Von GSM zu UMTS, von zweistöckigen Läden zu achtstöckigen Geschäften. Von Cola zu grünem Tee, von Sprudelwasser zu stillem Wasser, von Stofftüten zu Plastiktüten. Von Solarkraft zu Atomkraft, von solider Erde zu wackligem Boden, von Festland zu Insel. Von West nach Ost. Von Deutschland nach Japan.

All das wird sich heute in einem Monat wieder umdrehen. Denn dann besteige ich das Flugzeug Richtung Deutschland. Es gibt vieles, auf das ich mich in Deutschland freue und vieles, was ich hier vermissen werde. Auf jeden Fall freue ich mich auf die Rückkehr. Noch 31 Tage. Im Vergleich zu den ungefähr 320 Tagen, die ich dann in Japan verbracht haben werde, nur ein Bruchteil. Und am Ende wird das ganze Austauschjahr nur ein Bruchteil meines Lebens gewesen sein. Aber ein Bruchteil, den ich auf keinen Fall missen möchte.

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